Dienstag, 29. November 2011

Koto Bolofo: Vroom! Vroom!


Es müssen hunderte sein, jedes Jahr. Hunderte Bildbände über und mit Automobilen, einer teurer als der andere, aber nicht unbedingt schöner, und mit einem immer sehr ähnlichen, durch Lifestyle-Magazine und Hochglanzprints vorgeprägten Bildstil, der ohne Photoshop gar nicht denkbar wäre. Fotografie als „Kunsthandwerk“ ist hingegen selten geworden. 1926 schrieb der Filmkritiker Béla Balázs: „Jede Einstellung der Kamera bedeutet eine innere Einstellung des Menschen. Jeder Eindruck, im Bilde festgehalten, wird zu einem Ausdruck, ob das beabsichtigt war oder nicht. das braucht nur, bewußt oder intuitiv, gehandhabt zu werden, und die Photographie wird zur Kunst.“

In „Vroom! Vroom!“ von Koto Bolofo ist diese „altbewährte“ Art der analogen, künstlerischen Fotografie zu finden. Motivisch geht es um Handarbeit, um Metall, um Blech, und um die Menschen und Maschinen, die den alten Bugattis in der Werkstatt von Ivan Dutton Ltd. in Buckinghamshire ihre funktionale Form zurückgeben. Vor Bolofos Kamera entblößen die Autos ihre Einzelteile, manche von ihnen wirken regelrecht verfremdet. Und doch hat sie der Fotograf nur zufällig auf der Werkbank oder in den Händen ihrer sie streichelnden Mechaniker entdeckt: Er inszeniert nicht, sondern beobachtet – und erkennt dabei so manches Detail, das dem nüchtern denkenden Restaurator mitunter verborgen bleiben mag. 
Durch das cremefarbene, fast ledern wirkende Papier und das große Format strahlen die schwarz/weiß-Bilder Wärme aus. Das Buch selbst riecht (dem Steidl-Verlag sei Dank!) nach Farbe, Leim und traditionellem Handwerk: Besser, als es jeder Film oder geschliffen formulierte Artikel könnte, ermöglicht es dem Betrachter, die Ästhetik einer technischen Arbeit zu fühlen und zu riechen. So lassen sich auf frisch bearbeiteten Metallteilen verschwommener Provenienz sämtliche Kratzer und Riefen scheinbar einzeln ertasten. Bohren wird zur Zeremonie: wenn der Mechaniker seine Flasche Schneidöl auf ein Werkstück hernieder senkt, fängt Bolofo eine groteske Art statischer Bewegung ein, die sich vor dem geistigen Auge vor- und zurückspulen lässt.
„Like magic, a curve and shape emerge, recorded by my camera. Click! Click! Vroom! Vroom! The photographs take one to a journey of artistic innovation and aspiration.“, schreibt der Südafrikaner in seinem kurzen Vorwort, das übrigens den einzigen Text darstellt. Der Künstler ist ein gutes Beispiel für einen „Fachfremden“, der sich gekonnt an Autos wagt: als Modefotograf arbeitet er unter anderem für die „Vogue“ und die größten der Branche. Die Kunst bei der Modefotografie liege in der Spontaneität, erklärt er in dem unten stehenden Film. „Mein Ziel war, durch die Fotografie eine Art Zeitlosigkeit zu entwickeln, aus der Bilder entstehen, die man aus dem Magazin herausreißen und an die Wand pinnen möchte.“


Mit „Vroom!Vroom!“ hat er das ebenso geschafft. Koto Bolofos Bilder zeigen, dass es nicht mehr als eine innere Einstellung und großes handwerkliches Können braucht, um eindrucksvolle Bilder von klassischem Auto-Handwerk zu machen. In Zeiten, da Photoshop als Erweiterung der Linse gilt, ein echter Lichtblick.

Bild: Steidl Verlag

Koto Bolofo: Vroom! Vroom! Göttingen: Steidl 2010. Hardcover, 96 Seiten, Größe 36,9 x 29,8 x 1,8 cm, ISBN-13: 978-3865219619, Preis 56 €.
Zum Steidl-Verlag
Hier gewährt der Autor Einblick in's Buch!









P.S.: „Vroom! Vroom!“ ist nicht das erste Auto-verbundene Projekt von Koto Bolofo: 2005 erschien „Racing Style: The Goodwood Revival“.




Montag, 14. November 2011

Netz-Fundstück: Urlaub mit dem VW 1958

Verklärende Hymnen über die glorreiche Zeit der 50er Jahre, als man mit Fahrzeugen jeglicher Art die Alpen bezwang, sind bekannt. Unbekannt ist, welcher Mannheimer 1958 ein Fotoalbum mit seinen Urlaubserlebnissen zusammenstellte. Mit dem Käfer ging es über München und Berchtesgaden an den Wörthersee – und den Urlaubern scheint die Tour sichtlich Spaß gemacht zu haben! 


Das Album ist in Big Blue's Online Carburetor zu finden!





Donnerstag, 10. November 2011

Volkswagen-Wanderzirkus: Die Formel Vau

Bei aller Nostalgie vergisst man gerne mal, wie anders die Welt im Jahre 1965 noch aussah. „Warum verfiel man gerade auf die V-Formel mit der veralteten Konstruktion des Volkswagens als Grundlage? Warum nahm man für diese Autos kein modernes Fahrwerk und keinen leistungsfähigen Motor?“, fragte hobby in Heft 10/1965 über den „Rennwagen für Jedermann“.
Im Gegensatz zu heute spielte der Formelrennsport beim deutschen Publikum damals eine untergeordnete Rolle; der Tourenwagensport war populärer und galt für die Hersteller als besonders werbewirksam. Umso sensationeller muss es der hobby- Redaktion erschienen sein, dass es nunmehr einen Volks-Formelwagen geben sollte. 
Die Idee stammte (natürlich) aus den USA, wo Hubert L. Bundage einen Rennwagen auf Basis des VW 1200 realisieren wollte. Ein von Nardi in Italien gebaute Prototyp erwies sich aber als zu lahm, und zu allem Überfluss bedachte ihn das Nordhoff-regierte Volkswagenwerk mit einer unmissverständlichen Abmahnung aufgrund der Zweckentfremdung von VW-Teilen. Erst der in Florida ansässigen Firma Formcar gelang ein renntauglicher VW-Bolide, von dem Huschke von Hanstein sechs Bausätze nach Deutschland holte und von Porsche montieren ließ: Für 10.000 DM würde der Renner durchaus massentauglich sein, stellte er sich vor. Der Bedarf war da, denn Formel 2 und Formel Junior waren bereits so teuer geworden, dass Rennsport-Einsteiger mit geringem Budget keine Chance mehr hatten.
Edgar Barth, Porsche-Werksfahrer, beantwortete die eingangs gestellte Frage jedenfalls mit dem heute gängigen Postulat aller Markenpokale: Eine Nachwuchsformel dürfe gar nicht zu schnell sein, weil nicht das Frisieren der Motoren entscheidend sein solle, sondern das Können der Fahrer.
Sein Kollege Gerhard Mitter sah die Sache indes ganz anders: „Die Dinger sind gewiß schöne Spielzeuge, aber kaum geeignet für den Fahrer-Nachwuchs. Dazu ist ihr Fahrgestell einfach zu primitiv; es gewährleistet nicht das Fahrverhalten eines Rennwagens von heute. Außerdem ist der Motor natürlich viel zu schwach. Damit kann man keinen Powerslide fahren; und mit dem ‚Rennstil‘ dürfte es deshalb auch nicht weit her sein. Ein Gefühl für Grenzwerte bekommt der Nachwuchsfahrer auf den V-Wagen nicht. Und das ist das Wichtigste beim Rennenfahren.“
Bild: Powerslide
Dass Mitter mit seiner hochgeschätzten Meinung enorm daneben lag, zeigt das Powerslide-Magazin in einem sehr gelungenen Sonderheft, das in Zusammenarbeit mit der Historischen Formel Vau Europa e.V. entstanden ist.
Die historische Entwicklung der immer schneller werdenden Formel Vau ist darin ebenso dargestellt wie die Geschichten bedeutender Fahrer. Obwohl sich immer wieder Namen wie Niki Lauda, Pedro Rodriguez, Mario Andretti oder Keke Rosberg finden, blieb nicht jeder Vau-Pilot dem Motorsport treu. Mitunter recht privat sind daher die Einblicke in die Leben der Vau-Champions von einst, und das Heft liest sich stellenweise wie ein nostalgisches Familienalbum. „Vau-Stories“ von Rainer Braun, seinerzeit selbst erfolgreicher Pilot, komplettieren das Heft, das übrigens auch diverse Statistiken und Tabellen aufweist.
Formel Vau 1300 2-Vergaser. Bild: www.formel-vau.eu
Was Huschke von Hanstein anfangs als seinen „VW-Wanderzirkus“ bezeichnete – mit den sechs Formcar-Vau trat er im Rahmenprogramm verschiedener Meisterschaftsläufe auf – gedieh rasant: Schon 1966 wurde der ONS-Pokal für Formel Vau-Rennwagen ausgeschrieben, bei dem nicht weniger als 100 Fahrer genannt waren. Weitere Hersteller drängten auf den Volksformel-Markt, manch einer baute sich seinen Renner strikt regelkonform auch einfach selbst.
Der erste Formel Super Vau. Bild: www.formel-vau.eu
Bis 1970 hatte man die anämischen 35 PS allmählich durch leistungsstärkere Motoren mit bis zu 80 PS ersetzt, und 1971 trat die Formel Super Vau an, der Formel 3 ihre jungen Talente abspenstig zu machen. Eine Reglement-Änderung hob ab 1973 die Formel V 1300 mit ihren charakteristischen Zweivergaser-Anlagen aus der Taufe. Es war die Blütezeit von Kaimann, Motul, RSM und anderen Rennwagenbauern, das Vorbild Formel 1 sah man den Boliden immer deutlicher an. Übrigens: 1973 gab es rund 5000 VW-Monoposti weltweit. Das macht den Einstieg in den historischen Formel-Rennsport heute erschwinglich, wie in der November-Ausgabe von Oldtimer Markt zu lesen ist. Ein rennfertiger Einvergaser-Vau kostet demnach nur rund 10.000 Euro. Fast wie damals!

Das Powerslide-Sonderheft zur Formel Vau ist nicht im Handel, sondern nur über den Online-Shop des Magazins zum Preis von 4,80 € erhältlich.

Freitag, 4. November 2011

Autobücher im Netz (2): Von Flugzeugen und Hoopties

Jay Leno's Book Club ist eine wahre Fundgrube für Bücher, die hierzulande niemals einen Weg in die Rezensionsspalten finden würden. "World's Fastest Four-Engine Piston-Powered Aircraft" ist nicht einfach nur ein atemberaubend langer Titel, sondern noch dazu ein Buch über ein...Flugzeug. Tatsächlich. Aber: George Hildebrand, der Designer hinter dem Projekt "Republic XR-12" entwarf Autos, bevor er in die Luft ging – und entwarf Autos, als die XR-12 erfolglos wieder gelandet war, nachdem sie nie so recht abgehoben hatte. Jays Unterhaltung mit dem Autor des Buches – der kein geringerer ist als Hildebrands Neffe – scheint ein hochinteressanter Blick über den Tellerrand zu sein!



Bild: hooptie.de
Über den Niedergang der Stadt Detroit ist viel geschrieben worden. Von Wirtschaftskrisen gebeutelt, wird die Autostadt zur Geisterstadt – ein morbider Charme, den vor allem diejenigen anziehend finden, die nicht in ihr leben. Drei Grafik-Designer aus Deutschland unternahmen etwas ganz besonderes: Mehrere Monate gingen sie in Detroit auf die Suche nach besonderen Schriften. Dabei entdeckten sie allerhand, zum Beispiel die Allgegenwart der "Hoopties": Abgewrackte Verbrauchtwagen, poetisch definiert als Any car that I can afford since my second divorce. Aber auch die Geschichten und Persönlichkeiten, die die Motor City groß gemacht haben, spielten für die Designer plötzlich eine Rolle. So entwickelten sie nicht nur eine Schrift namens "Hooptie Script", sondern gestalteten auch noch das "Motor City Book". Das konnte leider bis dato mangels Verlag noch nicht erscheinen – doch immerhin ist es bereits virtuell zugänglich.
Hier kann das Buch durchgeblättert werden!


Alle Bilder: VeloceToday
Der dokumentarische Kinofilm "Senna" kam wohl nicht bei jedem gut an: Brandes Elitch von VeloceToday jedenfalls schreibt in seinem Artikel "Senna, Manso and a Dog", er habe nach dem Kinobesuch nicht mehr über den Rennfahrer Ayrton Senna gewusst als vorher – zudem sei nichts zu den spezifischen Charakteristika der Autos und Strecken erklärt worden, auf denen Senna fuhr. Doch der Rezensent empfiehlt in seinem amüsanten und lesenswerten Artikel gleich zwei (natürlich englischsprachige) Buchtitel. Warum? Ganz einfach: The difference between the book and the movie is the difference between being a fly on the wall in a psychiatrist’s office and watching a newsreel. 
"Vrooom!! – Conversations with the Grand Prix Champions" von Peter Manso enthält ungewöhnliche Interviews mit den Rennsport-Größen von einst. Manso nahm sich Zeit, lebte mit ihnen den Rennzirkus, wurde zum Freund, und durfte deshalb auch ungewöhnliche Fragen stellen. 
Und dann wäre da noch der Roman "The Art of Racing in the Rain" von Garth Stein, der aus der Sicht eines Hundes eine Familiengeschichte erzählt und rein zufällig mit einem Senna-Zitat beginnt: “With your mind power, your determination, your instinct, and experience as well, you can fly very high.”.